Hilfe für Angehörige:
Tokio – Eine Stadt in Japan hat einen Weg gefunden, um verirrten Demenzkranken schnell wieder nach Hause zu helfen: Älteren Menschen werden Miniaufkleber mit Barcodes auf Hand- oder Fußnägel geklebt, in denen eine individuelle Identitätsnummer eingespeichert ist. Mittels dieser scanbaren Etiketten kann die Polizei verloren gegangene Menschen einer Verwaltung zuordnen und helfen, die Angehörigen zu finden, wie das Sozialamt von Iruma erklärte.
Der Service ist kostenfrei und eine Premiere in Japan. Es gebe bereits ähnliche Aufkleber für Kleidung oder Schuhe, aber Demenzkranke trügen nicht immer dieselben Anziehsachen, erläuterte ein Stadtangestellter. Demnach haften die neuen, nur einen Zentimeter messenden Barcodes etwa zwei Wochen – auch wenn sie nass werden.
Beim Bundesfinanzhof (BFH) ist ein neues Musterverfahren zu Pflegeheimkosten anhängig. Steuerzahler, die aus gesundheitlichen Gründen in Pflegeheimen leben, können die Unterbringungskosten als außergewöhnliche Belastung absetzen.
Wird aber vor dem Umzug ins Heim der frühere Haushalt aufgelöst, kürzt der Fiskus die abziehbaren Ausgaben um die "Haushaltsersparnis". Damit sollen die Aufwendungen, die sich der Bewohner für das Unterhalten eines eigenen Hausstandes erspart, abgegolten werden.
Bei Ehepartnern, die gemeinsam in ein Pflegeheim ziehen, berechnen einige Finanzämter die Haushaltsersparnis doppelt, obwohl nur ein Haushalt aufgelöst wird.
Dagegen klagt nun ein Ehepaar. Ähnlich betroffene Paare sollten unter Nennung des Aktenzeichens (VI R 22/16) Einspruch gegen ablehnende Steuerbescheide einlegen.
Werden Einzelkonten oder -depots unentgeltlich auf Ehepartner übertragen, ist dies schenkungssteuerpflichtig (BFH, Az. IIR 41/14).
Im konkreten Fall hatte ein Anleger ein Schweizer Einzeldepotkonto auf ein Einzelkonto seiner Ehefrau bei der gleichen Bank übertragen.
Das Finanzamt bewertete die Transaktion in voller Höhe als steuerpflichtige Schenkung, da die Ehefrau nicht nachweisen konnte, dass sie schon vor der Übertragung zur Hälfte an dem Vermögen berechtigt gewesen sei.
Zu Recht, urteilten die obersten Finanzrichter: Der beschenkte Ehepartner trage die Beweislast für Tatsachen, die der Annahme einer "freigiebigen Zuwendung" entgegenstehen.
Forschung & Wissenschaft:
Neue Antikörper-Therapie
Nach vielen Rückschlägen macht die Therapie nun einen großen Schritt nach vorn. Dahinter liegt eine lange Forschungsgeschichte: Vor 40 Jahren fanden Mediziner heraus, wie man weiße Blutkörperchen zur Produktion von Abwehrmolekülen anregt. Die Erfinder bekamen dafür den Nobelpreis. Andere Forscher entwickelten das Prinzip weiter, setzten die Antikörper gegen Krebsarten, Rheuma und Allergien ein. Einige der molekularen Abwehrkämpfer sind heute als Arzneimittel zugelassen.
Nun steht fest, dies ist nicht bloß ein Etappensieg. „Die nihilistische Sicht, dass man im Frühstadium von Alzheimer nichts mehr ausrichten kann, ändert sich“, sagt der Psychiater Timo Grimmer, der am Zentrum für kognitive Störungen und Rehabilitation an der Technischen Universität München Versuchsreihen mit Patienten leitet. Die neuen Testsubstanzen „halten die Demenz auf, wenn man sie nur früh genug einsetzt“, sagt Christian Haass, der Sprecher des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen in München.
Stillstand des geistigen Verfalls
Genau genommen handelt es sich bei den Wirkstoffen um monoklonale, gentechnisch hergestellte und an das menschliche Immunsystem angepasste Antikörper, weshalb ihre Namen auf zwei Code-Silben enden: -umab, für hUman Monoclonal AntiBodies. Sie stimmen die Fachwelt optimistisch, sagt Grimmer, „die Alzheimer-Krankheit in absehbarer Zeit in ein chronisches, behandelbares Leiden zu verwandeln, ähnlich dem Diabetes“. In einem Test fand Grimmer heraus, dass diese Wirkstoffklasse den Verfall um 30 Prozent verzögern kann.
Einer der Antikörper, die Hilfe versprechen, heißt Aducanumab. Roger Nitsch, der Direktor des Instituts für Regenerative Medizin an der Universität Zürich, arbeitet seit Jahren an dem Mittel. Auf einem Kongress in Athen im vergangenen März stellte er die neuesten Daten vor. Ein wissenschaftlicher Aufsatz dazu soll bald erscheinen. „Aducanumab führt in nur einem Jahr zur nahezu vollständigen Reduktion aller Amyloid-Ablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten“, sagte Nitsch in Athen. Und während sich diese giftigen Eiweißklumpen im Gehirn unter der Therapie auflösten, „kam der geistige Verfall zum Stillstand“, ergänzt er im FOCUS-Gespräch.
Zellen mit Gedächtnis
Womöglich könnten die Patienten sogar geistig wieder aufholen und verlorene Funktionen neu aufbauen, sobald das Amyloid, die abnorme Substanz, die sich bei der Krankheit zwischen den Zellen bildet, eliminiert sei. Den Antikörper Aducanumab schufen Nitsch und sein Team, indem sie sogenannte Memory-B-Zellen aus 1000 Blutproben gesunder alter Menschen gewannen. Derartige Zellen besitzen das immunologische Gedächtnis aller früheren Auseinandersetzungen mit Infektionen und krankhaften Eiweißstoffen. „Wir können die genetische Information dieser B-Zellen auslesen und Teile davon gezielt klonieren“, erklärt Nitsch.
Mittlerweile läuft eine Zulassungsstudie für Aducanumab, eine Versuchsreihe der Phase III mit 2700 Patienten weltweit. Ergebnisse sollen im nächsten Jahr vorliegen. Biogen, ein 7500-Mitarbeiter-Konzern aus den USA, wird Herstellung und Vertrieb übernehmen.
Entnommen aus: Focus Magazin Nr. 22 (2016)
Der Geruchssinn ist bei neurodegenerativen Erkrankungen oftmals in seiner Funktion eingeschränkt. Daher dient ein schleichender Verlust des Riechens bereits als Vorbote für eine mögliche Parkinson-Erkrankung. Wissenschaftler in Rochester haben vor diesem Hintergrund untersucht, ob ein Verlust des Geruchssinns einen möglichen Gedächtnisverlust vorhersagen kann.
In der Mayo-Klinik-Studie hatten zwischen 2004 und 2010 1.630 Personen im Alter von etwa 80 Jahren, die kognitiv gesund waren, sowie 300 Personen, die bereits leichte kognitive Einschränkungen vorwiesen, teilgenommen. Im Rahmen eines Riechtests sollten sie sechs Nahrungsmittel und Gewürze sowie sechs weitere Düfte erriechen. Nach etwa 3,5 Jahren wurden Tests zu Ermittlung der Gedächtnisleistung durchgeführt.
Bei der Auswertung zeigte sich, dass von den 1.430 noch lebenden Studienteilnehmern 250 leichte kognitive Beeinträchtigungen hatten und sich bei 162 ein deutlicher Gedächtnisverlust nachweisen lies. Interessanterweise handelte es sich dabei um dieselben Personen, deren Geruchstest schlechter ausgefallen war.
Das Risiko des Gedächtnisverlusts war also umso höher, je schlechter das Ergebnis beim Geruchstest war. Weitere Nachuntersuchungen lassen die Aussage zu, dass das Alzheimer-Risiko bei den Studienteilnehmern mit den schlechtesten Riechtest-Ergebnissen um das 5,2-fache erhöht war im Vergleich zu den Teilnehmern mit den besten Riechtest-Ergebnissen.
Die Wissenschaftler betonen, dass mit dem einfach durchzuführenden Riechtest eine Möglichkeit gegeben ist, um im Praxisalltag Informationen zum Alzheimer-Risiko eines Patienten zu erhalten, und damit eine wichtige Präventionsmaßnahme vorhanden wäre.
Rosebud, O. Robert et al.
Association Between Olfactory Dysfunktion and Amnestic Mild Cognitive Impairment and Alzheimer Disease Dementia
JAMA Neurol. 1/2016
Kuopio – Männer, die vier- bis siebenmal pro Woche in die Sauna gehen, verringern ihr Risiko, an Demenz zu erkranken. Eine Beobachtungsstudie in Finnland kam zu dem Ergebnis, dass häufige Saunagänge die Demenzdiagnose um 66 Prozent und die Alzheimerdiagnose um 65 Prozent reduzieren im Vergleich zu jenen, die nur einmal wöchentlich saunierten. Die Ergebnisse wurden in Age and Ageing publiziert (2016; doi: 10.1093/ageing/afw212).
Zwischen 1984 und 1989 führten finnische Forscher eine prospektive Studie mit 3.433 Männern im Alter von 42 bis 60 Jahren durch, die Kuopio Ischemic Heart Disease risk factor study. Ursprüngliches Ziel war es, Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen zu analysieren. Einen positiven Effekt konnten das Team um Tanjaniina Laukkanen vom Institute of Public Health and Clinical Nutrition, University of Eastern Finland, Kuopio bereits damals feststellen. Regelmäßige Saunagänge gingen einher mit einem geringeren Risiko für einen plötzlichen Herztod, kardiovaskuläre Erkrankungen und auch einer reduzierten Sterblichkeit insgesamt.
In der aktuellen Erhebung konnten sie erstmals eine Auswirkung auf das Gedächtnis beobachten. Dafür untersuchten die Forscher eine Subgruppe von 2.315 Teilnehmern, die mindestens einmal die Woche eine Sauna besuchten. Bis ins Jahr 2013 wurden anschließend alle Fälle von Demenz erfasst. Insgesamt waren es 204 neu diagnostizierte Demenzfälle und 123 Männer, die an Alzheimer erkrankten. Der positive Effekt, den das Saunieren auf das Erinnerungsvermögen und das Herz hat, wären demnach vergleichbar groß, erklärt Laukkanen.
Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, können andere Einflussfaktoren nie ganz ausgeschlossen werden, räumt die Erstautorin ein. Fehlerquellen, die sich ebenfalls auf die Gesundheit und das vaskuläre Risiko auswirken könnten, wurden daher einbezogen. Dazu zählten unter anderem das Alter, Alkoholkomsum, Body-Mass-Index, Blutdruck, Rauchen, Diabetes Typ 2 oder frühere Herzinfarkte. Eine gesunde Ernährung oder sportliche Aktivitäten haben die Forscher nicht erhoben.
Menschen, die in ihrem Alltag jede Kleinigkeiten vergessen, blühen auf, wenn sie alte Erinnerungsschätze hervorholen können. Das geht besonders gut beim Singen. Denn selbst wer seine Angehörigen kaum noch erkennt, hat die Melodien seiner Jugend oft noch parat.
"Schätzel ade, Schätzel ade..." klingt es fröhlich aus 20 Mündern im Gemeindehaus in Eggersdorf im Landkreis Märkisch-Oderland. Um einen liebevoll dekorierten Tisch sitzen ältere Frauen und Männer. Sie singen, begleitet von Bruno Helm, Lieder aus einem Heft mit bekannten Volksmelodien "Mann! Sind wir heute gut!", sagt Helm, der die Runde regelmäßig mit der Gitarre begleitet. Einmal im Monat treffen sich hier Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen zum Singen. Organisiert wird das von der Strausberger "Beratungsstelle für Menschen mit Demenz und deren Angehörige".
"Wollen wir nun mal etwas singen, das nicht im Heft steht?", fragt der ehemalige Musiklehrer und schlägt schon die ersten Akkorde an. Er summt dabei die Melodie von "über den Wolken", von Reinhard Mey. Beim Refrain "Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sind, alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, bleiben darunter verborgen…" singen fast alle mit.
Viele lächeln dabei oder nicken im Takt. Mit dem Lied hat Helm offensichtlich den Geschmack der Gruppe getroffen.
Weg ins Vergessen
Im Landkreis Märkisch-Oderland im osten Brandenburgs sind mehr als 4400 Menschen an einer Demenz erkrankt. Bei der Krankheit - meist in Form der Alzheimererkrankung - gehen die Denkfähigkeit und das Orientierungsvermögen verloren. Im fortgeschrittenen Stadium sind einfache Alltagstätigkeiten wie Essen oder sich selbst Anziehen nicht mehr möglich. Vertraute Menschen und Familienangehörige werden zu Fremden. Zwei Drittel der Demenzerkrankten werden von ihren Familien zu Hause begleitet und gepflegt- zum Teil alleine oder mit Unterstützung professioneller Dienste. Viele Angehörige reiben sich bei dieser Hilfe auf.
Helm stimmt den nächsten Titel an. "Rock and Roll?", fragt er in die Runde, zupft an den Saiten und klopft laut und rhythmisch auf sein Instrument. "oder diesen Song hier, den kennen sicher alle: "Marmor, Stein und Eisten bricht - dam, dam, dam, dam". Es sind die Lieder ihrer Jugend oder aus einer Zeit, als die heute 60-, 70- oder 80-Jährigen noch zum Tanz gingen. Schon folgt "Marina, Marina, Marina", der italienische Erfolgshit von Rocco Granata aus den 50er-Jahren. "Bei dem Lied war ich gerade zehn Jahre alt", sagt de Musiker Helm. Jetzt ist er auch 69. "Viele der Anwesenden waren sicher älter, als das Lied damals lief - oder", fragt Elke Kirschneck von der Strausberger Demenzberatung. Und sie möchte von Herrn Kaufmann wissen, wie alter er denn sei. "Sechs Jahre älter als Bruno", sagt er und rechnet noch einmal nach, "Nein, sieben, ich bin 76 Jahre alt."
Musik ist gespeichert
Dass Musik den Erkrankten helfen kann, bestätigen auch die Experten. "Von Musik und Singen profitieren Demenzerkrankte in umfassender Weise. Dank der musikalischen Beschäftigung werden soziale, kommunikative, neuronale, physiologische und therapeutische Aspekte miteinander verbunden", verklärt Diplom-Musiktherapeutin Babette Herboth. Sie ist seit vielen Jahren auf Demenzerkrankungen spezialisiert und hat große Erfahrung in der Begleitung von Betroffenen sowie deren Familien.
"Beim Musizieren und Singen können sich Menschen mit Demenz als ganz und unbeeinträchtigt erleben, weil ihre Fähigkeiten auf diesem Gebiet meist noch komplett erhalten und abrufbar sind, wie zum Beispiel alle Strophen eines bekannten Liedes", erklärt Herboth. Denn die meisten musikalischen Erinnerungen seien im prozedualen Gedächtnis gespeichert. Musiktherapeuten wie sie machen sich dieses Wissen zunutze und "sprechen gezielt alle Sinne an, die zum Erkennen und Bewahren verborgener Fähigkeiten führen".
Beim gemeinsamen Singen in Eggersdorf fassen sich alle beim Abschiedsleid an den Händen und schunkeln im Takt des Shantys mit. Dann legt Bruno Helm die Gitarre zurück in eine Schutzhülle, alle klatschen.
1,8 Mio. Personen waren 2020 in Deutschland an Demenz erkrankt, die meisten davon an Alzheimer. „Honig im Kopf“ mit Dieter Hallervorden zeigt sehr anschaulich, was Demenz bedeutet.
Heilbar ist Demenz z. Zt. noch nicht, aber durch medikamentöse Therapien lässt sich das Fortschreiten der Krankheit hinauszögern.
Glücklicherweise forschen schon viele Unternehmen in diesem schnell wachsenden Sektor, da sie sich auch durch den demografischen Wandel und die weltweit ansteigende Lebenserwartung gigantische Einnahmen versprechen. Erste Forschungserfolge sind dabei vielversprechend.
Der Begriff Demenz bedeutet so viel wie ,,ohne Geist". Bei Erkrankungen sind vor allem das Kurzzeitgedächtnis, das Denkvermögen, die Sprache und die Motorik beeinträchtigt. Zu den häufigsten Formen der Demenzerkrankungen zählen Alzheimer, die gefäßbedingte Demenz, und Parkinson. Hauptrisikofaktor für das Auftreten von Demenzerkrankungen ist das Lebensalter. Durch die demografische Entwicklung werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten immer mehr Menschen an Demenzerkrankungen leiden. Die Deutsche Alzheimergesellschaft rechnet mit einer Verdopplung der Patienten bis zum Jahr 2050. Pro Tag, so die Gesellschaft, kommen etwa 900 Erkrankungen hinzu. ,,Sofern kein Durchbruch in Prävention und Therapie gelingt, wird sich nach unterschiedlichen Vorausberechnungen der Bevölkerungsentwicklung die Krankenzahl bis zum Jahr 2050 auf 2,4 bis 2,8 Mio. erhöhen", heißt es in einem Informationsblatt.
Weltweit leiden nach Schätzungen von Alzheimer's Disease International knapp 46,8 Mio. Menschen unter Demenz. Biotechnologie- und Pharmaunternehmen forschen daher bereits seit langem an einer wirksamen Behandlungsmethode. Erste Erfolge konnten dabei in der Antikörperforschung erzielt werden.
Aducanumab - hinter diesem etwas schwerfälligem Namen verbirgt sich eine der ganz großen Hoffnungen in der Demenzbehandlung. Der von Biogen entwickelte Antikörper-Wirkstoff ist der erste seiner Art, der eine Zulassung der US-Arzneimittelbehörde (FDA) zur Behandlung des „grauen Nebels" erhalten hat. Aducanumab soll direkt gegen sogenannte Amyloid-Ablagerungen im Gehirn wirken, welche - so zumindest der aktuelle Ansatz - verantwortlich für die neurodegenerative Erkrankung sein könnten. Die Zulassungen in anderen Ländern sind beantragt. Eine Zulassung in der EU bleibt nach einem Bericht in der Pharmazeutischen Zeitung jedoch „fraglich", zumal Biogen noch eine Wirksamkeitsstudie nachliefern muss, denn eine solche liegt bislang nicht vor. Die Daten, die Biogen zu den kognitiven Leistungen der Probanden bislang vorlegte, waren widersprüchlich und letztlich nicht eindeutig zu bewerten, so auch ein medizinisches Beratergremium der FDA. Biogen hatte seine Zulassungsstudien ursprünglich abgebrochen, weil sie so aussichtslos erschienen, ging aber später nach einer neuen Analyse der Daten doch von einer Wirksamkeit aus. Entsprechend verwundert es wenig, dass auch die FDA zuletzt eine interne Untersuchung zum Wirkstoff angekündigt hat. Im Raum steht der Verdacht, dass FDA-Mitarbeiter ungewöhnlich enge Kontakte zum Hersteller pflegten. Die amtierende FDA-Chefin Janet Woodcock bat daher eine unabhängige Untersuchungskommission des US-Gesundheitsministeriums, die Vorgänge rund um die Zulassung „so schnell wie möglich" zu prüfen.
Auf dem besten Weg zur Marktzulassung ist derweil das Alzheimer-Medikament Donanemab des Pharmakonzerns Eli Lilly. Die FDA gewährte dem Mittel den Status als ,,Breakthrough Therapy", womit eine beschleunigte Zulassung möglich ist. In der Phase-II-Studie führte der Antikörper bei Patienten mit früher symptomatischer Alzheimer-Krankheit zu einer signifikanten Verlangsamung der Abnahme der kognitiven Leistung. Das Mittel soll deshalb nun in einer weiteren Studie mit 500 Patienten erprobt werden. Donanemab zielt auf einen sogenannte Typ Beta-Amyloid namens N3pG ab, von dem Eli Lilly glaubt, dass es durch den Antikörper schnell beseitigt werden kann. Beta-Amyloid ist eine der beiden charakteristischen Eiweißablagerungen für die Alzheimer-Krankheit.
Einen weiteren vielversprechenden Forschungsansatz findet man bei der deutschen Evotec. Das Hamburger Biotechunternehmen und der Pharmakonzern Bristol Myers Squibb haben dazu im vergangenen Jahr ihre Forschungspartnerschaft ausgeweitet. Dabei haben die Partner zudem einen weiteren Therapieansatz in das „Alzheimer-Portfolio" aufgenommen. Die Zusammenarbeit zwischen Evotec und Bristol Myers Squibb hat bereits im Jahr 2016 begonnen. Ziel ist es, krankheitsmodifizierende Behandlungen für ein breites Spektrum von neurodegenerativen Erkrankungen zu identifizieren. Gemeinsam mit Qiagen unterstützt Evotec zudem das Forschungszentrum Jülich. Hier konnte erst im Februar d. J. ein bahnbrechender Erfolg vermeldet werden: Der dort entwickelte Alzheimer-Wirkstoffkandidat PRl-002 kann in die nächste Entwicklungsphase eintreten. Das Therapeutikum kann nun im Rahmen einer klinischen Phase-II-Studie an Alzheimer-Patienten getestet werden. ,,Ich freue mich sehr, dass wir den nächsten Schritt gehen können, der zur Entwicklung eines wirksamen Medikaments gegen die Alzheimersche Demenz führen soll", so Prof. Dieter Willbold, Direktor am Institut für Biologische Informationsprozesse - Strukturbiochemie des Forschungszentrum Jülich. PRl-002 setzt dabei an den toxischen Amyloid-beta-Oligomeren an. Der Wirkstoff zerstört direkt und ohne Mitwirkung des Immunsystems die sogenannten veränderten Oligomere (Ablagerungen im Gehirn) und zerlegt diese in die ungefährlichen Abeta-Monomere. Damit ist der Wirkstoff der erste seiner Art, der direkt gegen die schädlichen Oligomere wirkt. Er gehört zudem zu einer völlig neuen Klasse von Wirkstoffen, die auf sogenannten D-Peptiden basiert. Diese werden im Körper nicht oder nur sehr langsam abgebaut. Dadurch ist der Wirkstoff so stabil, dass PRl-002 oral, also als Tablette oder Kapsel verabreicht werden kann.
Einen proteinbasierten Therapieansatz verfolgt derweil das US-Unternehmen Cassava Sciences. Die Amerikaner haben sich primär auf die Forschung von Medikamenten gegen Demenz spezialisiert. Einer der vielversprechendsten Kandidaten ist Simufilam, der sich bereits in mehreren klinischen Studien behauptet hat. Simufilam soll die normale Form und Funktion von Filamin A wiederherstellen. Dabei handelt es sich um ein Protein im Gehirn, von dem man annimmt, dass es in einer veränderten Form mit Alzheimer in Verbindung steht. In einer Phase-ll-bStudie, deren Ergebnisse Cassava Sciences im September 2020 bekannt gab, wurde gezeigt, dass Simufilam merklich die kognitiven Einflüsse der Krankheit verlangsamt. Laut dem Unternehmen wurde zudem „die Fähigkeit, mehrere Biomarker auf unterschiedlichen biologischen Wegen mit einem Medikament zu verbessern, noch nie zuvor bei Patienten mit Alzheimer-Krankheit gezeigt". Auch die Zwischenanalyse aus Anfang 2021 bestätigte diese Erkenntnisse erneut. Doch was bei der Alzheimerforschung eine signifikante Rolle spielt, ist die rechtzeitige Diagnose, um eine Behandlung überhaupt noch möglich zu machen. Hierzu entwickelt Cassava Sciences mit SavaDx einen Bluttest, der entspechende Marker erkennen und somit bereits eine Früherkennung ermöglichen soll. In ersten klinischen Tests konnte SavaDx bereits mehr als 10 verschiedene Marker erkennen, die mit einer Alzheimererkrankung in Verbindung stehen - und das bevor erste Zeichen der Demenz auftreten bzw. zu erkennen sind.
Bereits in der Phase-III-Studie befindet sich indes der vom Schweizer Pharmariesen Roche entwickelte Antikörper Gantenerumab. Dieser richtet sich gegen die Ablagerungen im Gehirn der Patienten. In klinischen Studien hat er bereits gezeigt, dass er die sogenannten Plaques reduzieren kann. Nach einem Bericht des amerikanischen Branchenportals Endpoints sollen die Schweizer mit der US-Medikamentenaufsicht FDA im Gespräch sein, ob Gantenerumab ähnlich wie Aducanumab von Biogen beschleunigt, also vor Abschluss der klinischen Studien, zugelassen werden könnte. Sollte Gantenerumab die Marktreife erlangen, könnten Umsätze von bis zu 3 Mrd. CHF jährlich erzielbar sein. Die Gerüchte wollte Roche jedoch bisher nicht bestätigen: ,,Wir sind in Diskussionen mit der FDA und anderen regulatorischen Behörden", so das Unternehmen. Aktuell liege die Priorität darin, die 3. klinische Phase erfolgreich abzuschliessen. Experten brachten bereits ein Zulassungsdatum bis Ende 2022 ins Spiel, allerdings ist dies mehr als optimistisch. Darüber hinaus hat Roche noch zwei weitere Eisen gegen Alzheimer im Feuer: Den Anti-Amyloid-Antikörper Crenezumab, dessen Entwicklung zwar vor mehr als einem Jahr gegen frühe, nicht erbliche Alzheimer-Symptome eingestellt wurde. Zur Prävention familiärer Alzheimer-Demenz läuft mit Crenezumab jedoch nach wie vor noch ein Phase-II-Test. Zudem wird in Phase II der Antikörper Semorinemab gegen nicht-erblichen Alzheimer geprüft. Roche ist jedoch nicht primär für seine Forschung im neurologischen Bereich bekannt. Die Schweizer haben sich u.a. mit dem Mittel Tecentriq mehr als erfolgreich in der Onkologie positioniert.
Die Demenz-Forschung gehört zu den großen Herausforderungen der jüngeren Medizin. Sie wird vielen Unternehmen sehr viel Geld kosten aber am Ende vielen Demenz-Erkrankten und deren Angehörigen, die heute noch ohne Medikamente und entsprechende Behandlungsmethoden auskommen müssen, helfen.
Die Hoffnungen sind groß und es ist mehr als nur ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen.
Gesetzliche Vorgaben:
Der Pflegebedürftigkeitsbegriff wurde bereits vor 20 Jahren eingeführt. Dabei stand die Berechnung der einzelnen Pflegeleistungen nach Minuten im Mittelpunkt. Die individuelle Situation des Pflegebedürftigen wurde dabei nicht genügend berücksichtigt. Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz wird der Begriff der Pflegebedürftigkeit wesentlich verändert. Dadurch wird die größte und tiefgreifendste Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung seit ihrer Einführung realisiert.
Seit 1. Januar 2016 ist das Gesetz in Kraft. Die Umstellung auf das neue Begutachtungssystem erfolgt zum 1. Januar 2017. Es wird dann von drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade umgestellt. Die Begutachtung ermittelt künftig im Schwerpunkt den Grad der individuellen Selbstständigkeit und stuft die Pflegebedürftigkeit nach entsprechenden Kriterien ein.
Aktivitäten und Lebensbereiche, die in der Regel für jeden Menschen relevant sind, werden stärker berücksichtigt. Dabei werden die Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz wie zum Beispiel Demenz, besser einbezogen. Auf den Faktor Zeit wird verzichtet.
Grundlagen dabei sind ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff nach Modulen und deren Gewichtung:
- Mobilität (10 Punkte)
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (15 Punkte)
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (15 Punkte)
- Selbstversorgung (40 Punkte)
- Umgang mit Krankheit (20 Punkte)
- Gestaltung des Alltagslebens (15 Punkte)
Damit werden auch Menschen mit eingeschränkten Alltagskompetenzen sachlich richtige eingestuft.
Fünf Pflegegrade anstatt bisher drei Pflegestufen:
- Kein Pflegegrad (0 – 12,5 Punkte)
- Pflegegrad 1 (12,5 – 27 Punkte geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit)
- Pflegegrad 2 (27 – 47,5 Punkte erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit)
- Pflegegrad 3 (47,5 – 70 Punkte schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit)
- Pflegegrad 4 (70 – 90 Punkte schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit)
- Pflegerad 5 (90 – 100 Punkte höchster Punktwert )
Überleitung Pflegestufen in Pflegegrade
| |
Von | Nach |
Pflegestufe 0 | Pflegegrad 2 |
Pflegestufe I | Pflegegrad 2 |
Pflegestufe I mit eingeschränkter Alltagskompetenz | Pflegegrad 3 |
Pflegestufe II | Pflegegrad 3 |
Pflegestufe II mit eingeschränkter Alltagskompetenz | Pflegegrad 4 |
Pflegestufe III | Pflegegrad 4 |
Pflegestufe III Härtefall | Pflegegrad 5 |
Pflegestufe III mit eingeschränkter Alltagskompetenz | Pflegegrad 5 |
Quelle: Sozialgesetzbuch (SGB XI), Elftes Buch, Soziale Pflegeversicherung, § 140 |
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Pflegebedürftige, die bis zum 31. Dezember 2016 bereits eingestuft sind, werden in das neue System der Pflegegrade überführt. Sie sollen nach der neuen Einteilung keinen Nachteil erfahren.
Pflegebedürftige sind Personen, deren Fähigkeiten und Selbstständigkeit gesundheitlich bedingt beeinträchtig sind. Sie bedürfen deshalb der Hilfe durch andere. Dabei handelt es sich primär um Personen, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen nicht ohne Hilfe überwinden oder ausgleichen können. Oder sie können gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren beziehungsweise bewältigen. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer bestehen – mindestens für sechs Monate.
Das neue Begutachtungsverfahren ist so aufgebaut, dass alle relevanten Bedürfnisse und Belange bei der Prüfung erfasst werden. Diese neue, sogenannte Begutachtungsassessement (NBA) baut auf Erfahrungen aus der Praxis der vergangenen Jahre auf.
Neben Angaben zur Person geht es im Wesentlichen um die aktuelle Wohn-, Lebens- und Versorgungssituation. Mithilfe von Anamnese und Befunderhebungen lassen sich Schädigungen und Beeinträchtigungen feststellen. Das Thema Zeit spielt bei der Feststellung des Pflegegrads keine Rolle mehr.
Bereits bei den Begutachtungsverfahren durch den MDK oder gleichwertigen Prüfungsinstitutionen werden notwendige Maßnahmen besprochen. Dazu zählen Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen sowie der Bedarf an Hilfs- und Pflegehilfsmitteln. Pro Monat gibt es hierzu einen Zuschuss von 40 Euro. Jede Maßnahme, die das Wohnumfeld verbessert, kann mit bis zu 4.000 Euro bezuschusst werden. Das betrifft beispielsweise den Umbau von Bad und Toilette oder Einbau eines Treppenlifts.
Die sechs Module, die in den neuen Verfahren festgelegt sind, werden unterschiedlich bewertet. Sie richten sich nach dem Zustand des Pflegebedürftigen.
Der Bewertung der Selbstständigkeit liegen folgende Abstufungen zugrunde:
- Selbstständig
- Überwiegend selbstständig
- Überwiegend unselbstständig
- Unselbstständig
Selbstständig ist, wer aktiv den Ablauf des täglichen Lebens meistert. Dies muss in der Regel ohne Unterstützung einer weiteren Person oder vergleichbarer Hilfe der Fall sein. Im Gegensatz dazu ist eine Person unselbstständig, wenn es ihr kaum oder gar nicht gelingt, vorhandenen Ressourcen zu aktivieren. Dazu benötigt sie notwendigerweise ständige Unterstützung.
Bei der Mobilität geht es um den Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs und Treppensteigen.
Sind die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten beeinträchtigt, hat das Auswirkungen auf die gesamte Lebensführung. Bei den allgemeinen Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen geht es im Schwerpunkt um die Frage: Wie lassen sich allgemeine Beaufsichtigung und Betreuung bei eingeschränkter Alltagskompetenz planen und umsetzen?
Bei der Selbstversorgung steht die Frage im Mittelpunkt: Inwiefern ist der Betreffende in der Lage, entsprechende Tätigkeiten des täglichen Lebens aktiv und praktisch durchzuführen? Beim Umgang mit Krankheiten wird bewertet, ob die Person die Belastungen eigenständig bewältigt, die die Krankheit mit sich bringt. Auch die Frage, ob die Anforderungen der Therapie ohne Hilfe erfüllt werden können, spielt eine Rolle.
Bei der Gestaltung des Alltagslebens stehen die sozialen Kontakte im Zentrum. Wichtig ist es, den Tagesablauf zu gestalten und sich an Veränderungen sowohl im Wohnbereich als auch außer Haus anzupassen.
Das NBA wurde zwischenzeitlich erfolgreich getestet und wird 2016 schrittweise eingeführt. Die Einstufung in fünf Pfleggrade gilt ab 1. Januar 2017. Wesentlich dabei ist: für bereits eingestufte Personen besteht ein Bestandsschutz. Gegenüber dem System der Pflegstufen werden sie zum 1. Januar 2017 jeweils eine Stufe höher beziehungsweise mit eingeschränkter Alltagskompetenz zwei Stufen höher eingestuft. Dies bringt zum Teil auch finanzielle Vorteile.
Der Vorteil deckt lange nicht die inzwischen gestiegenen Kosten. In den letzten Jahren sind die Kosten pro Jahr um circa 5 Prozent gestiegen. Dazu kommt noch die Kostensteigerung des Mindestlohns.
Zum Jahreswechsel startet im Rahmen des Pflegestärkungsgesetzes das neue Bewertungssystem in der Pflege. Vor allem Demenzkranke sollen leichteren Zugang zu benötigten Leistungen erhalten.
Folgende Tabelle zeigt die Pflegeleistungen von 2016 im Vergleich zu 2017 (in Euro):
Die folgende Darstellung zeigt die Umwandlung der bisherigen Pflegestufen in die künftigen Pflegegrade:
Hören wir einmal auf die vielen Stimmen, die am Beginn des 21. Jahrhunderts über die Zukunft der alten Menschen sprechen, dann können wir die Sozialpolitiker nicht überhören, die eine verbesserte materielle Sicherheit versprechen, mehr Institutionen für alte Menschen fordern und sie zusammen mit weitsichtigen Unternehmern bauen lassen, dies manchmal vernetzt mit ambulanten Hilfsdiensten und mit Nachbarschaftshilfen, die den längstmöglichen Erhalt der Autonomie erlauben. Aus der medizinischen Forschung werden wir über Fortschritte im Kampf gegen Krankheiten informiert, unsere Hoffnungen auf eine weitere Verlängerung der menschlichen Lebensspanne wird genährt. Techniker werden zusammen mit Gerontologen ergonomische Verbesserungen in einer barrierefreien Umwelt planen oder das intelligente Haus der Zukunft vorstellen. Wir werden über die Verringerung von Distanzen lernen, die im Verkehr oder auch in den alten und den neuen Medien bei Kommunikation und Interaktion möglich werden - das auch und gerade im Feld der Gesundheit.
Stellen wir solchen Aufzählungen von instrumentellen Maßnahmen zur Verringerung von Defiziten des Alters aber einmal die lebendigen Anliegen alter Menschen im 21. Jahrhundert gegenüber, dann hören wir ganz andere Themen. Die Menschen äußern den Wunsch nach lebendigen Sozialkontakten, sozialer Unterstützung, emotionaler Nähe und „innerer“ Sicherheit. Ängste werden geäußert, die kaum einmal von Versicherungen behoben, wohl aber durch die Erfahrung von Geborgenheit im Anderen gemildert werden können. Wir erfahren, dass alte Menschen Empathie ersehnen und auch geben möchten. Manchmal wird Nachhaltigkeit im Umgang mit der Natur als Anliegen geäußert, und gute Beziehungen zwischen Religionen, Rassen oder auch Spezies werden ebenso genannt wie eine innere Aussöhnung von gelungenem und misslungenem Verhalten in der eigenen Biografie.
Beide Themenbereiche verlangen und verdienen Beachtung, und dies ausdrücklich differentiell. Sie müssen ganz schlicht von einer Sensibilisierung für die Kompetenzen des alten Menschen, ausdrücklich auch von Demenz-Kranken ausgehen, die wir beispielsweise beim Streicheln eines Babys oder eines freundlichen Hundes, beim Mitschwingen mit vertrauter Musik, dem Eingehen auf das Snoezelen, beim Auffassen der Stimmung eines authentischen Gegenübers, bei der emotional getönten Reaktion auf vertraute Interaktionsangebote erkennen. Mag auch die rational geprägte Ich-Kontrolle irreversibel eingeschränkt sein, Tiefenschichten des Nervensystems bleiben ansprechbar und „wollen“ reagieren. Es gilt generell, eine sozial-emotionale ebenso wie eine physische Umgebung zu schaffen, die jene Erlebens- und Verhaltensweisen des alt gewordenen Individuums fördern, die ihm nach wie vor seine ihm mögliche Lebensgestaltung ermöglichen. Das lässt Abstand von der Beurteilung alter Menschen nach ihrer Effizienz nehmen, es erlaubt Beziehungen, die ihnen eine andere Form „gebraucht zu werden“ nicht nur zugesteht, sondern ihre nach wie vor bestehende Sorgen um Enkel, Kinder, aber auch für Tiere und Natur als eine Form der sozialen Liebe annimmt und dankbar zurück meldet. Wir müssen lernen Licht und Schatten des Alterns zu begreifen. Dies führt letztlich zu einer Ausgewogenheit, die eine umfassende Akzeptanz des letzten Lebensabschnittes von Menschen ermöglicht. Dies ist Ziel und Arbeit unseres Vereins Demenz und Familie e.V..
Die Pflegereform sollte eigentlich Bedürftige entlasten. Doch ausgerechnet einige Altenheime scheinen dagegen zu arbeiten und heben die Preise für die Bewohner kräftig an. Dabei bedienen sie sich eines Tricks.
Sozialverbänden zufolge nutzen einige Betreiber von Altenheimen die aktuelle Pflegereform, um die Preise für ihre Bewohner spürbar anzuheben. Das geht aus einem Bericht der "Welt am Sonntag" hervor.
Demnach wenden sich zurzeit verstärkt Pflegebedürftige und ihre Angehörigen hilfesuchend an die Verbände, weil ihre Altenheime den Anteil an den Kosten für einen Heimplatz spürbar anheben, den die Bewohner selbst zahlen müssen.
Das beobachtet etwa die "Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen" (BIVA) in Bonn, einer der größten derartigen Verbände. "Wir stellen fest, dass im Zuge der Umstellung neu berechnet wurde und vielfach Entgelte erhöht wurden", sagt BIVA-Sprecher David Kröll.
Renovierungskosten ziehen an
In Nordrhein-Westfalen etwa hätten einige Heimbetreiber kräftig bei den Investitionskosten aufgeschlagen, also bei dem Anteil an den Heimkosten, den Bewohner für Renovierungsmaßnahmen zahlen müssen.
"Wir haben das Gefühl, dass die eigentlich gewollte Entlastung bei hohen Pflegegraden tendenziell dadurch aufgezehrt wird", sagt Kröll.
Durch die zum Jahreswechsel in Kraft getretene Pflegereform wurden die bisherigen drei Pflegestufen in fünf Pflegegrade umgewandelt. Ein Ziel der Gesetzesneuerung ist es, schwer Pflegebedürftige finanziell zu entlasten und dafür weniger stark auf Hilfe Angewiesene weniger stark mit Geld aus der Pflegeversicherung zu unterstützen.
Mitnahmeeffekte fressen Entlastung auf
Der Beobachtung des Pflegeverbandes zufolge soll die geplante Entlastung jedoch zumindest stellenweise durch die Mitnahmeeffekte aufgefressen werden. Auch Gesundheitsökonomen halten es für plausibel, dass ein signifikanter Teil der 13.000 Heime bundesweit die Umstellung nutzt, um bei dem Anteil, der nicht die Pflege betrifft, sondern von den Bewohnern selbst bezahlt werden muss, an der Kostenschraube zu drehen.
Der Ökonom Michael Wessels von der Hochschule für Gesundheit in Bochum sagte, dies sei vorstellbar, da viele Heimbetreiber schon lange nicht mehr mit den Pflegekassen und den Kommunen verhandelt hätten, mit denen sie die Preise für ihre Heimplätze festlegen.
Beim Arbeitgeberverband Pflege, der die politischen Belange privater Heimbetreiber vertritt, wollte man sich auf Anfrage nicht offiziell zu möglichen Mitnahmeeffekten äußern, sondern verwies darauf, dass man sich in den kommenden Wochen zunächst selbst einen Überblick verschaffen wolle.
Betreuung im Alter:
Zum 1. Januar 2017 tritt die zweite Stufe des Pflegestärkungsgesetzes, kurz PSG II, in Kraft. Der Gesetzgeber spricht von einer grundlegenden Reform mit deutlichen Verbesserungen für Pflegebedürftige und deren Angehörige. Doch das ist nur die halbe Wahrheit
Drei Pflegestufen werden durch fünf Pflegegrade ersetzt, der Pflegebedürftigkeitsbegriff wird neu definiert und ein neues Begutachtungssystem führt auch zu einer neuen Einstufungssystematik. Im Ergebnis führt das PSG II ab dem nächsten Jahr zu einer halben Million mehr Menschen, die Leistungen aus der Pflegepflichtversicherung erhalten, zu höheren Unterstützungsbeträgen und zu höheren Beiträgen für die Pflegepflichtversicherung. Soweit die Sicht der Bundesregierung.
Argument: Was bleibt ab 1. Januar 2017
Bleiben wird auch nach Einführung des PSG II eine deutliche Pflegelücke. An einem Zahlenbeispiel lässt sich das am besten darstellen. Nach einer Statistik des Verbandes der Privaten Krankenversicherung liegen die Kosten im Jahr 2016 im Bundesdurchschnitt bei 3.571 Euro monatlich in Pflegestufe 3. Am günstigsten ist es mit 2.769 Euro in Thüringen, Spitzenreiter sind die Pflegeheime in Nordrhein-Westfahlen mit durchschnittlich 4.127 Euro. Experten gehen davon aus, dass mit Einführung des PSG II die Pflegekosten weiter rasant ansteigen werden.
Die Maximalleistung bei Pflegegrad 5 und vollstationärer Pflege liegt bei monatlich 2.005 Euro. Hinzu kommen in einem Pflegeheim aber immer noch zusätzliche Kosten wie Friseur, Telefon und sonstige Leistungen, die das Leben eines Pflegebedürftigen ein bisschen annehmlicher, ein bisschen menschlicher machen. Die Pflegelücke liegt schnell bei mehr als 1.000 Euro, kann aber auch bei über 2.000 Euro pro Monat liegen.
Unabhängig vom jeweiligen Pflegegrad deckt die Pflegepflichtversicherung nie die tatsächlichen Kosten. Viele Pflegebedürftige können mit ihrer Rente diese finanzielle Lücke nicht schließen. Sie müssen Erspartes oder auch eine Immobilie angreifen und wenn dies nicht vorhanden oder aufgebraucht ist, werden die Kinder zur Kasse gebeten. Eine beklemmende Vorstellung, aber oft bittere Realität.
Risiko: Pflegefall - was nun?
Viele Menschen wurde im familiären oder sozialen Umfeld bereits mit einem Pflegefall konfrontiert - bei den eigene Eltern, bei Verwandten, Freunden und Nachbarn, oder auch beim Partner und sogar bei den eigenen Kindern. Die Gründe für einen Pflegefall sind vielschichtig. Ganz gleich, ob aufgrund eines altersbedingten Kräfteverfalls, einer Krankheit oder eines Unfalls, eine Pflegefall passt nie ins Lebenskonzept, weder für den Pflegebedürftigen selbst, noch für seine Angehörigen.
Die Folgen eines Pflegefalls sind finanzieller Mehraufwand, organisatorische Veränderungen im Wohnumfeld oder auch in den alltäglichen Lebensabläufen und familiäre Belastungen. Pflegebedürftige wünschen sich sehr oft, dass die Pflege so lange wie möglich im häuslichen und familiären Umfeld durchgeführt wird, was aber neben einer körperlichen oftmals auch zu eine psychischen Belastung der pflegenden Angehörigen führt. Neben dem finanziellen Bedarf besteht aber mit Eintritt eines Pflegefalls auch immer ein umfangreicher Beratungsbedarf, denn oftmals sind Pflegebedürftige und deren Angehörige mit der Diagnose "Pflegefall" zuerst einmal überfordert.
Lösung: Mehr als nur Geld
Was eine gute Pflegezusatzversicherung wert ist, zeigt sich daran, wenn nicht nur die Geldleistung ausbezahlt wird, sondern einem Pflegebedürftigen und seinen Angehörigen in dieser schwierigen Lebenssituation auch mit Rat und Tat geholfen wird. Bei der Organisation des Alltags, wenn eine ambulanten Pflege ansteht, bei der Suche nach einem Kurzzeitpflegeplatz, wenn pflegende Angehörige einmal eine Auszeit, eine Urlaub brauchen, bei der Suche nach einer geeigneten Pflegeeinrichtung, wenn eine stationäre Pflege erforderlich ist. Genau dies sind die Unterscheidungskriterien, die eine finanzielle Absicherung für den Pflegefall von einem hochwertigen Pflegschutz wie zum Beispiel der "Deutschen Privatpflege" des Münchener Verein unterscheiden. Diese bietet neben dem selbstverständlichen finanziellen Schutz des Versicherungsvertrags umfangreiche Beratung und Assistance-Leistungen durch die Pflegehotline, wenn eine Pflegebedürftigkeit diagnostiziert wurde, eine umfangreiche Beratung und Unterstützung vor Ort für pflegende Angehörige und eine 24-Stunden-Pflegeplatzgarantie oder innerhalb von 48 Stunden auch einen Kurzzeitpflegeplatz. Diese Leistungen sind gefordert und helfen Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen in dieser schwierigen Lebensphase.
Flexibilität: Lebensqualität erhalten
Mit dem Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung steht die finanzielle Sicherheit für den Pflegefall im Fokus. Die ergänzenden Beratungs- und Assistance-Leistungen bieten vielfältige Unterstützung und Beratung, die unterschiedlichen Phasen eines Pflegefalls besser und mit professioneller Unterstützung zu meistern. Mit einer Pflegezusatzversicherung wird aber auch das Vermögen des Pflegebedürftigen und seiner Kinder geschützt. Die finanziellen Mittel aus der Pflegezusatzversicherung helfen, möglich lange den gewohnten Lebensstand und damit auch die Lebensqualität zu erhalten. Wie ein privater Pflegeschutz gestaltet wird, hängt von der persönlichen, familiären, häuslichen und auch finanziellen Situation ab.
(Dr. Rainer Reitzler, Vorstandsvorsitzender Münchener Verein Versicherungsgruppe)
Die private Pflegezusatzversicherung steht vor neuen Herausforderungen. Sie muss die Anpassung an die veränderten Rahmenbedingungen durch das zweite Pflegestärkungsgesetz bewältigen und sich am Markt als unverzichtbarer Versicherungsschutz für den dritten Lebensabschnitt etablieren.
30 Jahre ist die private Pflegezusatzversicherung alt. Als sie 1986 das Licht der Welt erblickte, war sie eine Einzelgängerin. Erst nach der Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung 1995, als klar wurde, dass das Geld von der Pflegekasse nicht ausreichen wird, um die Kosten zu decken, wurden private Pflegezusatzversicherungen marktgängig. Einen weiteren Schub erfuhren sie 2013 mit der Einführung der staatliche geförderten Pflegezusatzversicherung. Mit 30 Jahren ist die private Pflegeversicherung zwar noch lange kein Pflegefall. Zu behaupten, sie stünde in der Blüte ihrer Entwicklung, wäre jedoch auch falsch. Zwar sind hervorragende Pflegetagegeld- und Pflegerentenversicherungen auf dem Markt, allein es mangelt an Verbreitung. Ende 2015 belief sich der Bestand auf knapp 3,9 Millionen Verträge, darunter gut 3,4 Millionen geförderte und ungeförderte Tagegeldversicherungen bei den privaten Krankenversicherern und 463.000 Pflegerenten bei den Lebensversicherern.
Das ist wenig, zu wenig angesichts des wachsenden Pflegerisikos. Wenn im Jahr 2030 rund 3,5 Millionen Deutsche pflegebedürftig sein werden, darunter sind vermutlich 2,15 Millionen Demenzkranke, werden viele allein auf die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung angewiesen sein. Diese erfährt zwar mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II) ab 1. Januar 2017 eine spürbare Aufwertung und Verbesserung. Bis zu 609 Euro mehr Leistungen zahlen die Pflegekassen dann, und besonders verbessert sich die Lage der Patienten mit eingeschränkter Alltagskompetenz. Das hört sich gut an, darf aber nicht darüber täuschen, dass die gesetzliche Pflegeversicherung auch nach dem PSG II das bleiben wird, was sie immer war und immer sein wird: Eine Art "Teilkaskoversicherung". Der Gesetzgeber geht ausdrücklich davon aus, dass mit den Leistungen der Pflegeversicherung die finanziellen Risiken des Pflegerisikos nicht vollständig gedeckt sind oder jemals gedeckt werden können.
Tag für Tag kommen in Deutschland 150 neue Pflegefälle hinzu, darunter 110 neue Demenzkranke. Die Pflegekosten in Deutschland steigen unablässig, dafür sorgt auch das PSG II. Damit vergrößert sich die Lücke zwischen den tatsächlichen Pflegekosten und den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung. Die müssen Pflegebedürftige aus eigener Tasche stopfen. Wenn sie dies nicht können, müssen ihre nächsten Angehörigen einspringen. Die Bertelsmann-Stiftung hat unlängst untersucht, wie weit das Einkommen der Senioren reicht, um die Kosten im Pflegeheim zu decken. Das Ergebnis ist bestürzend: In Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Baden-Württemberg sowie in den Stadtstaaten übersteigen die Pflegekosten das durchschnittliche Jahreseinkommen der über 80-Jährigen zum Teil deutlich. Bundesweit reicht in 44 Prozent der Kreise das Durchschnittseinkommen der alten Menschen rechnerisch im Jahr nur für maximal elf Monate stationäre Pflege. In einem Viertel der Kreise liegt die durchschnittliche Kaufkraft sogar so niedrig, dass sich die über 80-Jährigen nur maximal zehn Monate stationäre Pflege pro Jahr leisten können. Dass es in den übrigen Teilen Deutschlands, vor allem im Osten und Norden, besser aussieht, ist kein Trost. Denn dort reicht die Pflegekaufkraft nur deshalb für einen Heimaufenthalt aus, weil die Pflegekräfte miserabel bezahlt werden. Es ist absehbar, dass sich dies ändern wird, denn Pflegekräfte sind rar, ihre Bezahlung wird sich verbessern, was wiederum die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen in finanzielle Nöte stürzen wird.
(Hans Pfeifer)
Viele im Umlauf befindliche Patientenverfügungen sind pauschal und daher unzureichend.
Der Bundesgerichtshof hat mit einem aufsehend erregenden Beschluss vom 06.07.2016, Az. XII ZB 61/16 viele Patientenverfügungen zunichte gemacht. Unterschreiben Sie deshalb bitte keinen x-beliebigen Vordruck oder juristisch vermeintlich wasserdichte, aber in der klinischen Praxis untaugliche Muster-Formulare. Denn – anders als beim Testament – geht es bei der Patientenverfügung keinesfalls nur um rechtliche Formalien, sondern vor allem auch um medizinische und für Sie ganz individuelle Inhalte!
Nehmen Sie deshalb bei dieser ernsten Angelegenheit juristisch und medizinisch fachkundige Unterstützung in Anspruch.
Rechtliche und medizinische Kompetenz ist extrem wichtig.
Wir helfen Ihnen gerne bei der Formulierung einer Patientenverfügung, die zu Ihren Bedürfnissen passt.
Prinzipiell sind eine Patientenverfügung und die damit einhergehende Vorsorgevollmacht ebenso sinnvoll wie ein Testament, die jedoch regelmäßig auf Aktualität überprüft werden sollten.
Das 2009 in Kraft getretene Patientenverfügungsgesetz hat vor allem Auswirkungen auf bei bereits bestehenden Patientenverfügungen, weil das Gesetz in Gänze noch nicht berücksichtigt werden konnte. Nehmen Sie deshalb im Vorfeld Einblick in das Patientenverfügungsgesetz.
Gerne stehen wir unseren Mitgliedern auch bzgl. Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht juristisch beratend zur Seite.
Bauen Sie vor und denken Sie rechtzeitig über Ihr Alter, über Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Testament nach. Wir unterstützen Sie dabei gerne!
Immer mehr Menschen erkranken an Demenz. In diesem Fall ist es ratsam, den Haftpflichtschutz zu überprüfen, denn im Schadenfall wird häufig festgestellt, dass erforderliche Klauseln nicht enthalten sind. Wie es um das Thema Demenz in der privaten Haftpflichtversicherung bestellt ist und worauf Makler bei Kunden mit älteren Verträgen achten müssen, erläutert Norbert Roemers, behördlich zugelassener Versicherungsberater und Inhaber der Kanzlei Roemers, im Interview.
Herr Roemers, wenn ein Versicherter an Demenz erkrankt, wie wirkt sich dies dann auf seine Haftpflicht aus? Besteht eine Verpflichtung, dem Versicherer die Demenzerkrankung eines Angehörigen zu melden?
Die Aufgabe der privaten Haftpflichtversicherung ist die Regulierung berechtigter Schäden und die Ablehnung unberechtigter Schadenersatzansprüche – notfalls auch gerichtlich. Diese Regelung gilt für sämtliche über einen Vertrag versicherten Personen. Erkrankt nun eine dieser Personen an Demenz, dann ist man nicht verpflichtet, diese Erkrankung seinem Versicherer zu melden.
Schäden, die eine nach dem Gesetz deliktunfähige Person verursacht, sind nicht in der privaten Haftpflicht eingeschlossen. Wie ist denn das Thema Demenz in der privaten Haftpflichtversicherung geregelt?
Durch eine Demenzerkrankung kann es dazu kommen, dass sich der Versicherer im Schadenfall darauf beruft, dass der Schadenverursacher krankheitsbedingt deliktunfähig ist und somit für den Schaden nicht haftbar gemacht werden kann. Geregelt ist die Deliktunfähigkeit in § 827 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB): „Wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, ist für den Schaden nicht verantwortlich.“ Zwischenzeitlich haben allerdings schon viele Gesellschaften ihren Versicherungsschutz um den Begriff der „Deliktunfähigkeit“ erweitert.
Begonnen hat es damit, dass auch für Kinder bis sieben Jahre (diese sind laut Gesetzgeber ebenfalls deliktunfähig) Versicherungsschutz geboten wurde und von Kindern verursachte Schäden zumindest bis zu einem bestimmten Betrag reguliert werden. Aus dem entsprechenden Passus in den Versicherungsbedingungen „deliktunfähige Kinder“ ist inzwischen der Passus „deliktunfähige Personen“ geworden.
Sie raten allen, die demente Angehörige betreuen, den bestehenden Haftpflichtschutz überprüfen zu lassen. Worauf müssen Makler in alten Verträgen achten und wie sollten die Vertragsbedingungen aussehen, damit Angehörige von Menschen mit Demenz im Schadenfall nicht auf den Kosten sitzen bleiben?
Umfangreiche Versicherungsvergleiche haben ergeben, dass die Leistungen im Schadenfall sehr unterschiedlich ausfallen. Es gibt aber immer noch Verträge, in denen keine Schäden durch Deliktunfähigkeit mitversichert sind. Aber selbst wenn Schäden durch deliktunfähige Personen mitversichert sind, bleibt die Frage, bis zu welcher Schadenhöhe diese abgedeckt sind. Hier haben Vergleiche ergeben, dass Schäden bis maximal 5.000 Euro oder auch bis zur Höhe der Versicherungssummen mitversichert sind.
Aber auch Angehörige von Demenzkranken bzw. die betreuende Person sollte über eine sehr gute private Haftpflichtversicherung Vorsorge treffen. Denn kann im Ernstfall der Schadenverursacher nicht haftbar gemacht werden, kann der Geschädigte die Verletzung der Aufsichtspflicht prüfen lassen und sein Anspruch geht gegebenenfalls auf die aufsichtsführende Person über.
Für die Deckung zählt also eine personenbezogene Deliktunfähigkeit, die auch deliktunfähige Erwachsene umfasst. Einige Versicherer bieten inzwischen eine Haftpflichtversicherung mit einer speziellen Deliktunfähigkeitsklausel an. Welche Leistungen sind damit verbunden?
Diese Deliktunfähigkeitsklausel oder „Demenzklausel“ hilft den Angehörigen ganz erheblich im Schadenfall. Gilt die Deliktunfähigkeit als mitversichert, wird der Versicherer die gestellten Ansprüche prüfen und den Schaden entsprechend regulieren.
Ein Geschädigter nimmt selten Rücksicht auf eine bestehende Erkrankung. Er möchte seinen Schaden ersetzt haben. Eine bestehende Demenzerkrankung fordert von den Angehörigen schon eine sehr große Aufmerksamkeit und Zeitinvestition. Da möchte man den Ärger mit einem Geschädigten doch bestimmt vermeiden.
Was halten Sie als Versicherungsberater denn von den neuen Angeboten auf dem Markt, die eine solche Deliktunfähigkeits- oder „Demenzklausel“ enthalten?
Diese neuen Angebote sind überaus wichtig, zumal den Betroffenen vielfach nicht bekannt ist, welche Ansprüche auf sie zukommen können. Zwischenzeitlich gehen auch die ersten Pflegeheime hin und verlangen von ihren Bewohnern den Nachweis über das Bestehen einer privaten Haftpflichtversicherung. Daher sollte man bei Vertragsabschluss auch einmal in den Regelungen zum Thema Mietsachschäden nachsehen und diese überprüfen.
Herr Roemers, sollten Makler, die Kunden mit alten Verträgen betreuen, in denen das Thema Demenz oft noch gar nicht vorkommt, im Rahmen der Bestandspflege dann also in jedem Fall aktiv werden?Generell gilt, dass alte private Haftpflichtversicherungen überprüft werden sollten. Diese enthalten stellenweise noch Versicherungssummen in Höhe von 511.000 Euro. Die heutigen Mindestdeckungssummen sollten 5.000.000 Euro oder besser noch 10.000.000 Euro nicht unterschreiten. Im Beratungsgespräch haben wir mehrmals die Erfahrung gemacht, dass bei Umstellung der Altverträge auf aktuelle Prämien und Versicherungsbedingungen bei einem geringeren Beitrag ein wesentlich verbesserter Versicherungsschutz erreicht werden konnte.
Mit den Pflegestärkungsgesetzen I und II erhalten Menschen mit Demenz die gleichen Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung wie dauerhaft körperlich kranke Menschen. Hatte die Pflegereform auch Auswirkungen auf den Bereich Haftpflicht?
Die gesetzliche Pflegeversicherung ist eine Versicherung aus dem Bereich Sozialversicherungsrecht, die private Haftpflichtversicherung eine Versicherung aus dem privaten Bereich. Die Pflegereform hatte somit keine Auswirkung auf den Bereich der Haftpflichtversicherung.
Prognosen zufolge soll die Zahl der Menschen, die von Demenz betroffen sind, bis 2030 auf zwei Millionen steigen. Sind die Versicherer in Ihren Augen denn auf diese Entwicklung vorbereitet?
Durch die Deckungserweiterungen im Versicherungsschutz bieten sich für die Betroffenen gute Möglichkeiten, sich vor den finanziellen Auswirkungen eines Schadens zu schützen. Ob die an Demenz Erkrankten mehr Schäden verursachen, muss die Zeit zeigen.
Müssen die bestehenden Produkte weiter angepasst werden oder sind mit Blick auf die steigende Zahl von demenzkranken Menschen neue Konzepte zur Absicherung gefragt?
Laut Statistik leben drei von vier an Demenz Erkrankten noch in den eigenen vier Wänden oder bei Familienmitgliedern. Hier ist nicht nur eine sehr gute private Haftpflichtversicherung gefordert, sondern auch die Hausrat- und gegebenenfalls die Wohngebäudeversicherung sollten überprüft werden. Bei Hausrat- und Wohngebäudeversicherung sollte die Absicherung bei grober Fahrlässigkeit geprüft werden. Passende Produkte gibt es auf dem Markt. Für den Versicherungsmakler dürfte es daher einfach sein, ein geeignetes Produkt für seinen Kunden zu finden. Der Ausschließlichkeitsvertreter hat es da wesentlich schwieriger. Bietet seine Gesellschaft keinen entsprechenden Versicherungsschutz, sollte er den Kunden hierauf hinweisen. Die Beratung ist wichtig.
Quelle: AssCompact 07/2017, Seite 44 f.